Tag 17 Ottobeuren bis Oberstdorf – Berge und Luxus
Bis Kempten liegen noch einige Höhenmeter vor uns, sagt die App. So wie es auf dem Bild aussieht, werden wir bald nach dem Start wieder vor einer Wand stehen. Immer darauf gefasst, fahren wir los.
Ja, es geht bergauf aber es ist irgendwie noch harmlos. Das ist der Fluch der App, man glaubt zu wissen, was kommt und verpasst dabei im schlimmsten Fall, die schöne Strecke zu genießen. Aber es ist wirklich schön und deshalb passiert uns das nicht.
Wir fahren durch Wiesen und Felder und genießen den Ausblick von hier oben zurück auf Ottobeuren. Danach geht durch einen Wald. Es ist anstrengend, aber schieben müssen wir nicht. Vielleicht sind wir nach fast drei Wochen Radfahren einfach auch fit geworden?
BERGE
Was dann kommt, haben wir nicht erwartet. Gerade sind wir noch im Wald und strengen uns an, die Hügel hochzufahren. Plötzlich ist der Wald zu Ende und vor uns breitet sich ein wunderschönes Tal, in dem ein kleiner Ort liegt, aus.
„Astrid, da sind sie!“ rufe ich aus.
Im Hintergrund können wir sie sehen, schemenhaft in der Ferne und dennoch imposant und berührend: DIE BERGE!
Was für ein Moment. Wir werden ihn nie vergessen
Baustelle
Jetzt können wir die meiste Zeit bergab fahren und haben dabei immer die Berge vor Augen. Es ist traumhaft schön. In Kempten gibt es einen Kaffee, denn für das Mittagessen ist es noch zu früh. Die Stadt ist schön aber wir wollen weiter. Der Berg ruft!
Ab jetzt führt der Weg immer an der Iller entlang. Kaum haben wir den Illerradweg erreicht, ist er auch schon gesperrt. Ein großes Gitter steht quer über dem Weg, ein Umweg ist nicht ausgeschildert. Mist!
Zum Glück kommen gerade zwei Radfahrer von der anderen Seite an das Gitter. „Kann man da fahren“ fragen wir.
„Klar“ sagen sie und zwängen sich mit den Fahrrädern durchs Gestrüpp am Gitter vorbei. Das machen wir auch.
Es ist nicht das erste Mal, dass wir eine Baustelle ignorieren müssen. Natürlich hätten wir uns das diesmal ohne die beiden nicht getraut, denn oft ist der Weg ja tatsächlich unbefahrbar, wie zum Beispiel am Elbdeich.
Aber hier geht’s. Wir fahren an ein paar Bauarbeitern vorbei, die im Bauwagen eine Pause machen. Sicherheitshalber grüßen wir lieber nicht, auch wenn sie uns natürlich gesehen haben. Sie machen aber auch keine Anstalten uns am Weiterfahren zu hindern.
Fünf Kilometer ist der Radweg gesperrt, dabei kann man ihn wirklich ganz entspannt fahren und gebaut wird auch nichts und nirgends.
Kein Wunder, dass kaum ein Radfahrer solche Absperrungen berücksichtigt.
Die Iller
Seltsam grau begleitet uns der Fluß, die Iller. Das Wasser sieht aus wie aus Lehm oder Schlamm. Der Radweg ist aus hellem Schotter und sehr staubig. Am Ende sehen wir selbst seltsam grau aus. Nicht nur die Fahrräder, sondern die Packtaschen und auch wir sind komplett weiß-grau gesprenkelt.
Die Sonne scheint mit weniger als 30 Grad und die Berge kommen immer näher. Genial, wie schön Radfahren sein kann. Allerdings sind wir nicht allein. Der Iller-Radweg ist hier der reinste Fahrrad Highway. Kaum fahren wir einmal nebeneinander, kommen uns schon wieder andere Radfahrer entgegen. Zum Glück haben wir schon am Anfang die einzige Regel etabliert, an die wir uns auch konsequent halten:
Diejenige, die links fährt, bremst und reiht sich hinter der anderen ein.
So kann es keine Zusammenstöße geben, weil entweder beide bremsen oder beide schneller werden um vor der anderen einzuscheren. Klappt!
Kurz vor Oberstdorf erreichen wir den Iller Ursprung, hier fließen drei Bäche zusammen und vereinen sich zur Iller. Es sind die Tretach, Stillach und Breitach, alle drei kommen schon grau angeflossen. Kein Wunder also, dass die Iller grau ist.
Oberstdorf
Ich kenne mich mit Skispringen nicht aus. Deshalb war mir auch nicht klar, WIE bekannt Oberstdorf ist. Bereits in Günzburg haben wir uns auf die Suche nach einer Unterkunft gemacht und waren entsetzt. Denn es ist fast alles ausgebucht! Das hatte ich nicht erwartet.
In Oberstdorf wird mir klar warum. Der Ort liegt zwischen wunderschönen Bergen, ist touristisch mehr als erschlossen und hat dazu auch noch diverse Skischanzen.
Uns bleibt nichts anderes übrig, als ein Luxushotel mit Sauna und Yakuzzi zu buchen. Macht nichts, wir haben es uns verdient.
Dreckig wie die Iller kommen wir in unserem Hotel an. Dort müssen wir unsere Fahrräder umständlich erst drei Stufen hoch, dann vier Stufen runter und direkt wieder drei Stufen hoch bugsieren. Als wäre das nicht schon umständlich genug, müssen zwei Türen während dieses Prozesses aufgehalten werden, eine davon ist eine schwere Metalltür. Hat uns jemand vom Hotelperson geholfen? NEIN! Warum nicht? Keine Ahnung!
Wir kriegen es hin, aber die Arroganz des „Sternepersonals“ nervt. Auch am Abreisetag, als wir nach dem Menue für das exklusive Sternerestaurant mit Gault & Millau, Guide Michelin und was weiß ich nicht noch alles für Auszeichnungen fragen, werden wir blöd mit Informationen über den Koch und einem Hinweis, dass man einen Tisch reservieren müsse, es aber auf Monate keinen gäbe, abgespeist.
Nur die Frau an der Rezeption ist extrem freundlich und der Yakuzzi auf dem Dach ist auch nicht schlecht.
Und so sitzen wir schon wenig später gemütlich im blubbernden Wasser und freuen uns auf die LETZTE Etappe! 20 Kilometer sind es noch bis zum Haldenwanger Eck. Siegessicher prosten wir uns schon mal zu.
Noch ahnen wir nicht, was noch kommen wird.
Paare am Wegesrand
Das Hotel hat auch ein Restaurant ohne Sterne und Auszeichnungen, dort werden wir höflich arrogant bedient, scheint hier die Einstellungsvoraussetzung zu sein.
Am Nebentisch sitzen mehrere junge Menschen, ein Paar mit Baby ist dabei. Zunächst ist alles gut, das Baby hat gute Laune. Irgendwann werden die Menschen am Tisch immer lauter, das Baby auch, es weint.
Eine Frau, wahrscheinlich die Mutter, nimmt es auf den Arm und geht mit dem Kind zwischen den Tischen hin und her, doch das Kind beruhigt sich nicht. Die Frau ist sichtlich genervt. Am Ende kommt es zu der typischen Paarszene.
Ein Blick, der definitiv töten kann, landet von der Frau beim Mann, der wahrscheinlich der Vater des Kindes ist. Ohne Worte steht er auf, nimmt das Kind und geht damit aus dem Restaurant. Jetzt ist Ruhe, aber schön ist das nicht.
Zahlen Daten Fakten
17. Tag Ottobeuren bis Oberstdorf
- 19 bis 29 Grad
- 75,54 Kilometer
- 39,2 maximale Geschwindigkeit
- 17,2 durchschnittliche Geschwindigkeit
- 560 Höhenmeter
- Berge