Tag 16 Günzburg bis Ottobeuren – Grüß Gott

Tag 16 Günzburg bis Ottobeuren – Grüß Gott

9. September 2018 0 Von Manuela

Das Wetter wird von Tag zu Tag perfekter. Die große Hitze scheint vorbei und Regen hatten wir noch keinen einzigen Tag! Wir haben wirklich Glück, zumindest bis jetzt. Aber was soll noch kommen? Schließlich trennen uns nur noch zwei Tage von unserem Ziel. In Oberstdorf zeigt die App zwar immer das Gewittersymbol aber wir trauen den Vorhersagen schon lange nicht mehr.

Je näher wir dem Haldenwanger Eck kommen, desto größer wird die Euphorie darüber, dass wir es wirklich schaffen können. Es bleibt ein Restriskio, doch das scheint überschaubar. 

Heute geht es erstmal bis Ottobeuren. Wir starten früh in Günzburg und fahren am Legoland vorbei. Vom Legoland selbst sehen wir nur den riesigen Parkplatz und viele Familien, die Richtung Eingang strömen. Sie kommen zu Fuß aus den umliegenden Pensionen, mit Bussen oder Autos. Kein Wunder, dass es so viele sind, es ist ja noch Ferienzeit.

Auf einem Hügel stehen drei große Legosteine.

Günzburg bis Ottobeuren
Legoland bei Günzburg

Ein Bad im Weiher

Für uns geht es weiter an der Günz entlang immer Richtung Süden. Schön ist es hier und auch der Radweg ist gut zu fahren. Weil wir heute nur ungefähr 70 Kilometer fahren werden, haben wir Zeit für ein Bad im Weiher. Ein kleines Café und vor allem das klare Wasser locken mich an. Astrid hält nichts davon, sie gehört nicht zu den Menschen, die gerne in einen See springen. Umso besser, dann kann sie auf die Sachen aufpassen.

Wir sind zwar schon an einigen Badestellen vorbei gekommen, aber immer war irgendwas. Entweder hatten wir keine Zeit oder das Wasser sah trüb und wenig einladend aus.
Diesmal passt alles. Wir sind gut in der Zeit, es ist warm genug und der See ist aufgrund des Steinstrandes glasklar.

Aaahhh was gibt es Schöneres?

Quatscher

In dem Café, in dem Astrid auf mich wartet, sitzen mehrere Personen zusammen. Sie scheinen Einheimische zu sein, die sich hier immer mal kurz auf ein Bier treffen. 

Wir trinken unseren Kaffee und irgendwann fällt mir auf, dass ich immer nur dieselbe Stimme höre. Ich fange an, genauer hinzuhören. Tatsächlich redet von fünf Männern die ganze Zeit nur ein einziger!
Ohne Punkt und Komma erzählt er über das gestrige Fest im Nachbarort, dann über die Trockenheit des Sommers und schließlich noch über den Hof eines Nachbarn. Keiner der anderen sagt etwas, manchmal grunzt einer von ihnen etwas. Warum merkt er selbst nicht, dass keiner sich äußert. Er scheint nicht interessiert an den Worten anderer Menschen zu sein und lässt auch keine Lücke zwischen den eigenen. Nach einer halben Stunde steht er auf, sagt Tschüss und geht.

Puuuhh endlich Ruhe! 
Wir trinken den Kaffee aus und genießen noch den Blick auf den See. Dann geht es wunderbar erfrischt weiter.

So gemütlich hatten wir es bis jetzt noch nie!

Moin Moin bis Grüß Gott

Wir sind im Süden. Die Menschen scheinen hier alle eine Oktave tiefer zu sprechen als im Rest des Landes. Aber vor allem sagen sie Grüß Gott! Das Moin Moin des Nordens muss aus einem anderen Land stammen. Uns wird noch einmal bewusst, wie viel von unserem Land wir schon gesehen haben. Die Menschen waren ausnahmslos freundlich und hilfsbereit und die Landschaft ist unglaublich vielfältig.

Mit dem Fahrrad haben wir alles ganz bewusst erlebt. Wir waren mittendrin im Weinfeld, ganz allein in kühlen, fast heiligen Wäldern und häufig begleitet von großen Gewässern und kleinen Flüssen.
Unser Land ist schön. Allerdings stellen wir fest, dass wir bis jetzt noch kaum Berge gesehen haben.

Die sollte es doch auch hier irgendwo geben?

Ottobeuren

Der Günztalradweg ist wieder so ein Bahnradweg und auf ihm kommen wir ziemlich entspannt in Ottobeuren an. Das erste Mal haben wir in unserer Unterkunft sogar einen großen Balkon. Von ihm aus können wir über einen Park den Ort mit seinem beeindruckenden Kloster sehen. 

Astrid macht sich wieder auf den Weg in den Ort um Wasser zu kaufen. Ich bleibe allein zurück und genieße den Ausblick und die Tatsache, dass wir schon morgen nach Oberstdorf fahren. Die App zeigt einige Höhenmeter an, davor habe ich immer noch großen Respekt. Ich bin mir einfach nicht sicher, was da noch kommt. Ob ich es wirklich schaffen kann? Vor allem von Oberstdorf bis zum Haldenwanger Eck lauern noch fast 1000 Höhenmeter. Das wird nicht leicht.
 
In Ottobeuren, damals Stephansried, wurde Sebastian Kneipp 1821 geboren, erzählte uns die Frau an der Rezeption begeistert. Der Park auf den ich blicke, ist ein Kurpark. Und als Astrid zurück kommt, lasse ich mich ganz leicht von ihr überreden, noch einmal mit in den Park zu gehen, denn dort gibt es ein Kneippbecken. Das kennen wir ja noch aus Heilbad Heiligenstadt. Da das Schwimmbad hier im stickigen Keller extrem nach Chlor gerochen hat, finde ich die Idee mehr als verlockend.

Der Andrang ist allerdings groß. Wir warten bis die anderen aus dem Wasser sind. Auf der Bank neben uns sitzt ein Mann, der so wie der von heute Mittag die ganze Zeit redet. Sein Begleiter schweigt und lässt den Redeschwall scheinbar an sich abprallen. 
In mir grunzt es, aber ich halte mich zurück, denn nach kurzer Zeit sind die beiden weg und wir haben das Becken ganz für uns allein. Trotzdem ist es auffällig, dass an einem Tag gleich zwei solcher Quatscher unseren Weg kreuzen. Oder war es derselbe Mann?

So genau habe ich nicht hingeguckt.

Glocken

Und noch etwas unterscheidet den Süden vom Rest des Landes. Sie haben hier viel mehr Glocken. Sowohl an den Kühen als auch an ihren Kirchen und Klöstern. Sehr früh am morgen geht es los. Es klimpert und läutet so laut, dass an Ausschlafen nicht zu denken ist. Wir wollen das ja sowieso nicht, aber wie halten das die Menschen aus, die hier leben?
Und wie muss das eigentlich für die Menschen gewesen sein, als die ersten Kirchenglocken überhaupt ertönten? Wahrscheinlich bedrohlich und unausweichlich.

Auch uns bleibt nichts anderes übrig. Wir stehen früh auf.

Paare am Wegesrand

Als ich am Abend zuvor allein auf dem Balkon saß, hörte ich vom Nachbarbalkon einen Mann offensichtlich mit seiner Frau und dem Kind sprechen. Es klang alles sehr liebevoll, bloß das Kind hatte keine Lust zu telefonieren. Es schien auch noch viel zu klein dafür zu sein. 
Beim Frühstück wundern wir uns, dass hier nur Männer an den Tischen, sitzen, entweder allein oder zu zweit. Sie scheinen auf Montage oder als Leiharbeiter zu sein.

Das erklärt auch das Gespräch mit der Familie am Abend. Nach Jahren der Wochenendbeziehung und des täglichen Telefonierens, landen solche Paare häufig bei mir in der Beratung. Wenn ich was zu sagen hätte, dürfte es diese Zerrissenheit von Familien nicht geben. Ich habe es selbst erlebt, als mein Mann in Hamburg gearbeitet hat und die Kinder noch klein waren. Leicht ist es nicht, sich so noch als Paar zu fühlen.

Wenigstens ist das Frühstück ausgezeichnet.

Zahlen Daten Fakten

16. Tag Günzburg bis Ottobeuren

  • 20 – 30 Grad
  • 71,01 Kilometer
  • 38,8 maximale Geschwindigkeit
  • 17,7 durchschnittliche Geschwindigkeit
  • 340 Höhenmeter
  • 2 Quatscher