Tag 7 Wismar bis Rostock – Neue Perspektiven
Am nächsten Morgen geht es früh und froh weiter. Früh weil wir ja kein Frühstück gebucht haben und froh, weil wir kein Frühstück gebucht haben. Das hätte nochmal 15,- pro Person gekostet. Übrigens während ich das schreibe, also einige Wochen später, sehe ich, dass die Zimmer dort 85,- € MIT Frühstück kosten.
Also nix wie weg aus Gägelow und hin nach Wismar. Und siehe da, wir sind begeistert! Die Altstadt ist kunterbunt, mit Häusern wie aus einer Puppenstube. Es ist 8:30 Uhr und die Fußgängerzone füllt sich erst langsam mit Menschen. Zeit für ein Frühstück bei Bäcker Junge. Dort gibt es alles, was lecker ist, für 11,- € pro Person. Gut.
Nach dem Essen schnappe ich mir mein Handy und suche nach Unterkünften. Das Wochenende macht mir Angst.
Bis Stralsund könnten wir es von Rostock aus schaffen. Allerdings wohl mit ziemlicher Anstrengung. Erstmal gucken, ob es überhaupt ein Zimmer gibt.
„Fragen Sie für dieses Jahr?“ fragt der Mann am Telefon und lacht.
„Ja und zwar für übermorgen“ antworte ich.
„Wir sind bis September ausgebucht,“ sagt er.
So oder so ähnlich verlaufen noch weitere 12 Gespräche.
Erstmals überlegen wir ersthaft, ob wir die Tour abbrechen müssen.
Die Lösung
Doch dann kombiniere ich einfach zwei Tatsachen in meinem Kopf, die wir schon die ganze Zeit vor Augen haben:
1. Es ist viel zu heiß zum Radfahren
2. Es gibt keine freien Zimmer
Da liegt die Lösung doch ganz klar auf der Hand!
„Wir fahren nachts und schlafen tagsüber am Strand“ sage ich.
Ich bin begeistert. Eine nächtliche Radtour habe ich noch nie gemacht. Zeit wird’s! Matthias zögert kurz, erkennt dann aber auch sofort die Genialität dieser Idee. High Five!
Jetzt können wir endlich aufhören ständig nach einem Zimmer zu suchen!
Auch das noch
Und als ob das noch nicht genug der guten Lösungen wäre, finden wir im Netz sogar eine Wohnung in Wismar, die uns gefällt. Der Makler reagiert spontan und ermöglicht eine Besichtigung in 10 Minuten! Schnell schlucken wir den Kaffee runter und laufen rüber zur Wohnung. Sie ist wirklich nur ein paar Minuten von der Bäckerei entfernt, also mitten drin in der Altstadt. Wir sind gespannt.
Mit dem Haus wurde eine Baulücke zwischen zwei Altbauten geschlossen. Es hat ein ziemlich spitzes Dach, unten ist ein kleiner Laden mit Kunst und Kleidung. Das alles gefällt mir schon mal ganz gut. Erstaunlicherweise gefällt mir auch die Wohnung! Das hätte ich gar nicht erwartet. Auf den Bildern im Netz wirkt sie viel kleiner als sie ist.
„Wir melden uns“ sagen wir zum Makler als wir wieder unten auf der Straße stehen. Sobald der Makler außer Hörweite ist, gucken wir uns an.
„Gefällt mir ganz gut,“ sagen wir synchron. Au weia, jetzt wird es wohl ernst!
Hier sind ein paar verwirrende Impressionen von der Wohnung. Ich bin mir sicher, die haben mir Drogen in den Kaffee getan. Warum sonst sollte ich solche Fotos machen?!
Die Freveltat
Aber erstmal wartet der FlixBus nach Rostock auf uns. Ne stimmt nicht, wir warten auf ihn. Das liegt nicht am Bus, sondern an uns wir sind zu früh. Der Bus kommt pünktlich, ist ja auch keine Bahn. Diesmal gibt es einen Gepäckträger für die Fahrräder und Sitzplätze finden wir auch sofort.
Aufgeregt diskutieren wir die Möglichkeit nach Wismar zu ziehen. Immer wieder beruhigen wir uns mit dem Satz, „Noch wissen wir ja nicht, ob wir die Wohnung überhaupt bekommen.“ Trotzdem kann ich ja schon mal planen, wo ich meinen Schreibtisch hinstellen werde oder?
Zwischendurch mal mit dem Bus zu fahren ist gar keine schlechte Idee. Die Klimaanlage funktioniert und die kleinen Hügel das draußen sind kein Problem. Schon 50 Minuten später sind wir auch schon in Rostock. Natürlich nörgelt meine innere Radfahrerin ein bisschen herum, denn das ist ja alles viel zu bequem. Ach, halt die Klappe, denke ich.
Verwirrte App
Das Hotel soll in Warnemünde sein, behauptet die App. Wir vertrauen ihr und folgen den Anweisungen. Es geht ungefähr 12 Kilometer an einer viel befahrenen Bundesstraße entlang. Rechts von uns nur Gestrüpp und links ein ständiger Strom von Autos. Einzige Abwechslung sind ein Tunnel und später ein paar Plattenbauten.
Was für eine öde Strecke. Es ist anstrengend und nervtötend an der lauten Straße zu fahren. Heiß ist es auch und ich habe kein Wasser mehr. In meinem Kopf male ich mir in den schönsten Farben aus, wie ich auf das Bett falle und erstmal die Füße hochlege. Danach gucken wir uns ganz gemütlich Warnemünde an. Noch ist es früh am Tag und so weit wird es ja jetzt nicht mehr sein.
„Du bist an deinem Ziel angekommen. Bis bald“ sagt die App. Häh?! Wir stehen ganz eindeutig vor einem Wohnhaus, nirgends ist ein Hotel in Sicht. Straße und Hausnummer sind allerdings richtig. Hier stimmt was nicht. Gibt es das Hotel gar nicht? Aber ich habe doch über Booking com gebucht, das sollte sicher sein.
Was jetzt gar nicht geht, ist weiter zu fahren, schließlich liege ich innerlich schon in meinem Hotelbett. Also brauche ich eine Pause und erst dann werden wir uns darum kümmern, wo dieses verdammte Hotel ist.
Warnemünde
Wie ein Plattenbau liegt das Schiff im Hafen von Warnemünde. Schon von weitem können wir es sehen. Menschenmassen strömen über die Brücke zum Strand. Hier im Zentrum ist die Hölle los. Matthias geht zur Touristeninformation und fragt nach unserem Hotel.
„Das ist in Rostock und nicht in Warnemünde,“ sagt er als er wieder heraus kommt.
„Allerdings hatte der Computer auch zuerst die Adresse hier in Warnemünde angezeigt. Das scheint ein Fehler irgendwo im System zu sein.“
Na toll! Das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Immerhin haben wir jetzt die Koordinaten. Als ich die ins die App eingebe, sehe ich, dass wir die gerade gefahrenen 12 Kilometer an der Straße wieder zurück müssen. Puuuhh.
Aber vorher gibt es eine Stärkung beim Asiaten. Das Plätzchen ist schattig und wir hören für einen Moment auf zu schwitzen.
Waschtag
Wir fügen uns in unser Schicksal und machen uns auf zum Hotel. Also wieder die Straße entlang. Diesmal ist es schon nicht mehr ganz so heiß und die Wasserflaschen sind aufgefüllt. Es ist doof, aber geht besser als befürchtet.
Das Hotel sieht aus wie ein amerikanisches Motel, in dem sich eigentlich immer nur die Verbrecher auf der Flucht aufhalten. Das macht es deutlich spannender als es ist, denn auch dieses Hotel liegt mitten im Nirgendwo.
Allerdings wird es wohl das letzte Hotel sein, in dem wir schlafen, denn ab morgen wird nachts Rad gefahren! Wir nutzen die Gegebenheiten und waschen unsere Sachen, denn stinken wollen wir natürlich nicht und es ist so ziemlich alles ziemlich durchgeschwitzt.
Hotel bei Rostock
Paare am Weg
Die Aussicht auf das gemeinsame Abenteuer macht Spaß, das gilt sowohl für die Nachtfahrten als auch für Wismar. Wenn uns in diesem Moment jemand beobachten würde, würde er oder sie sicher denken, wir seien frisch verliebt. Dabei haben wir im nächsten Monat schon unseren 18. Hochzeitstag.
Auch die Tatsache, dass wir morgen früh zum dritten Mal nach Warnemünde an der mittlerweile sehr vertrauten Straße entlang radeln werden, nehmen wir gelassen zur Kenntnis.
Einer meiner 10 schönsten Tipps für Paare in langjährigen Beziehungen ist ja auch: geht zusammen an einen Ort, an dem ihr noch nie wart.
Alles Tipps gibt es übrigens hier:
Die 10 schönsten Tipps für Paare in langjährigen Beziehungen
Zahlen Daten Fakten
Tag 7 von Wismar bis Rostock
- 36,6 Kilometer
- 39 Grad
- 129 Höhenmeter
- 11,9 Durchschnittsgeschwindigkeit
- 770 Kalorien
- 3:04 Stunden Fahrzeit
- 5:56 Stunden Pause
- 1 Fahrt mit dem FlixBus
- 1 Wohnungsbesichtigung
- 1 Entscheidung