Tag 5 Insel bis Uelzen -Umwege und Planänderung
Sehr gut erholt starten wir am nächsten Tag voller Zuversicht. Am Abend zuvor gab es ein heftiges Unwetter, das sogar den Grill umgeworfen hat. Wir hatten Angst, dass der Rasen in Brand gerät. Aber der Bruder mit dem Gartenschlauch konnte Schlimmeres verhindern. Heute liegen entsprechend viele Zweige, Blätter und ganze Bäume auf den Radwegen. Der Wind ist auf unserer Seite und schiebt ausnahmsweise mal von hinten. Zügig geht es in die falsche Richtung…
Erste Umwege
Diese Umwege werden uns noch eine ganze Weile begleiten. Aus ganz verschiedenen Gründe, entweder wollen wir ganz bewusst, den schöneren Weg fahren oder wir finden den richtigen Weg nicht. Okay, ich gebe zu, wir haben uns nur EINMAl bewusst für einen Umweg entschieden, sonst war es immer der nicht zu findende Weg. Sogar hier in unserer Heimat passiert das. Wir fahren über Soltau nach Munster! Etwas, das wir mit dem Auto nie im Leben getan hätten! Natürlich führt der Weg nach Munster über Bispingen. Das weiß doch jedes Kind. Bis heute haben wir für diesen Umweg keine Erklärung und es wird wohl auch keine geben. Soltau hat ja auch was… aber was eigentlich?
Planänderung
Wozu sind Pläne da? Man soll sie über den Haufen werfen. So die gängige Meinung. Aber was ist das für ein Sprichwort? Wo komt das her? Welcher Haufen ist in dem Zusammenhang gemeint? Der Heuhaufen, Misthaufen oder gar der Scheißhaufen? Das unendlich intelligente Internet weiß es leider auch nicht. Aber so ein Sprichwort muss doch irgendwo herkommen!? Die einzige Erklärung, die ich finde ist, dass ein Haufen meistens die Soldaten bezeichnete, die zur unteren Rangordnung gehörten. Das passt nur wieder gut zu unserem nächsten Ort. Wir erreichen Munster, die Garnisonsstadt. Hier sind viele Soldaten stationiert. Es gibt also jede Menge „Haufen“ über die wir unseren Plan werfen können. Was wir auch tun.
Der Plan, den ich von langer Hand vorbereitet habe, wozu ich fünf ADFC- Karten im Wohnzimmer ausgebreitet und die Strecke mit Google Maps abgeglichen habe, um auch die Höhenmeter zu berücksichtigen, um danach akribisch aufzuschreiben, wie wir fahren werden. Dieser Plan ist ab sofort drüber geworfen über den Haufen! Er scheitert an der Realität! Unsere Realität ist, dass 100 Kilometer am Tag zu viel sind! Ich hätte es wissen können…. tja, hätte.
Wir entscheiden uns kurzerhand, die Pausentage zu streichen und nur noch ca. 70 bis 80 Kilometer pro Tag zu fahren. Dann sind wir nicht so erledigt, wenn wir in der Unterkunft ankommen. Wir können uns dann noch den Ort angucken und sind entspannter. Das wird fast wie im Urlaub! Der neue Plan soll uns ab jetzt den Weg weisen, neue Zielorte sind ermittelt und am ersten Tag mit neuem Plan funktioniert er sehr gut! Sogar trotz Umweg über Soltau. Wir kommen gegen 15:30 Uhr am Hundertwasserbahnhof in Uelzen an. Perfekt, um sich eine schöne Unterkunft zu suchen, einen Spaziergang zu machen und sogar noch ein bisschen auszuruhen.
Alles klappt, obwohl gerade ein Konzert in Uelzen stattfindet und die ganze Stadt ausgebucht zu sein scheint. Ein kleines Hotel nimmt uns auf, in dessen Garten wir noch die Töne des Konzerts erhaschen können. Es ist Michael Patrick Kelly, na so ein Glück!
Irgendwann dreht der Wind und wir hören nichts mehr.
E-Bike oder selber treten?
Sobald wir davon berichten, dass nur eine von uns mit dem E-Bike unterwegs ist, kommt sofort die Reaktion „OH das ist aber fies!“
Gemeint ist wohl, dass es diejenige mit dem E-Bike viel besser hat als die andere. So ist es auch bestimmt, wenn man sich miteinander vergleicht. Dann ist das E-Bike schneller und die Tour nicht so anstrengend. Lässt man aber das Vergleichen, dann ist alles richtig! Tatsächlich können wir diese Tour nur genauso fahren!
Schließlich brauche ich, als diejenige ohne Unterstützung, mich nur nach meiner Kondition zu richten. Ich weiß, dass Astrid die Strecke schon schaffen wird. Sie ist diejenige, die sich anpassen muss. Sie muss oben auf dem Berg warten, bis ich angejapst komme, sie muss eine Pause machen, wenn ich nicht mehr kann und sie muss so weit fahren, bis ich sage, jetzt geht es nicht mehr!
Das macht sie auch ganz brav, ohne zu meckern oder auch nur mit den Augen zu rollen. Manchmal hilft sie den Berg hinauf. Immer dann, wenn ich schieben muss, kommt sie mir entgegen gelaufen und hilft mir, indem sie mein Rad von hinten anschiebt! Das ist die perfekte Unterstützung. DANKE Astrid! Du hast es wirklich schwer, dass du mit dem E-Bike fahren musst.
Besondere Phänomene
Allerdings gibt es doch ein paar Besonderheiten, auf die man sich einstellen muss, wenn eine mit und die andere ohne E-Bike fährt. Ich fühle mich nicht so sportlich, weil ich vor mir immer jemanden habe, der schon oben am Berg angekommen ist. Und Astrid fühlt sich nicht so sportlich, weil sie weiß, dass sie mit Unterstützung fährt. Das ist eine Lose – Lose Situation und deshalb haben wir begonnen uns gegenseitig zu loben, wie sportlich wir sind. Das hilft!
Das andere Phänomen erscheint immer dann, wenn es gerade besonders anstrengend ist. Astrid kann sich dann noch ganz normal unterhalten und tut es auch. Allerdings muss sie dann auf meinen Beitrag zum Gespräch verzichten. Das geht ganz gut.
Und dann sind da noch die Momente, in denen ich den Schwung nutzen will um den folgenden Anstieg zu schaffen. Wenn Astrid dann plötzlich die Nase putzen muss, einen Bonbon essen will oder ein Foto machen möchte leitet sie diese Aktionen mit einem „Warte mal“ ein. Das geht natürlich nicht. Ich fahre einfach weiter, sie wird mich schon einholen.
Wenn man auf diese Phänomene vorbereitet ist und sie ganz ohne Worte klären kann, ist es perfekt!
Paare am Wegesrand
Es ist kein lebendes Paar, das uns am Wegesrand begegnet. Es ist eine Statue, die in Munster alle Besucher der Einkaufszone begrüßt. Die ganze Stadt steht unter dem Zeichen der Kaserne. Und deshalb passt dieses Paar auch sehr gut hierhin. Die Figuren haben etwas Romantisches, aber der Hintergrund ist schrecklich. Schließlich geht es um den Abschied vom Ehemann oder Partner, der zum Dienst an der Waffe antreten muss. Wir haben es nicht mehr selbst erlebt aber der Schrecken des Krieges steckt in den Generationen.
Über dem Eingang zum Panzermuseum in Munster hängt ein Schild mit der Aufschrift „Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg“ Das Zitat ist vom Philosophen Walter Benjamin, der damit bestimmt die abschreckenden Geschichten meinte.
Zahlen Daten Fakten
5. Tag von Insel nach Uelzen
- 84 Kilometer
- 19 – 23 Grad
- 330 Höhenmeter
- 1 E-Bike
- 1 Fahrrad mit Unterstützung